Mehrere Morde an Frauen in einem Monat: Gewaltschutzexpertinnen sehen Handlungsbedarf
Opferschutzeinrichtungen beobachten mit großer Sorge die hohe Anzahl an Morden an Frauen und Fällen besonders schwerer Gewalt in den letzten Monaten. Umso beunruhigender ist es, dass derzeit die MARAC-Fallkonferenzen nicht mehr stattfinden, bei denen Hochrisikofälle von verschiedenen Institutionen besprochen und Sicherheitspläne erstellt werden. Die Allianz "Gewaltfrei leben", ein Zusammenschluss von Einrichtungen in Österreich zur Umsetzung der Konvention des Europarates zur Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention), hat aus diesem Anlass am 17.7.2018 zu einem Pressefrühstück eingeladen.
In Österreich wird nicht statistisch erfasst, wie viele Frauen pro Jahr durch Gewalt in Beziehungen sterben. Opferschutzeinrichtungen erfassen diese Morde anhand von Medienanalysen und die In Österreich werden jährlich 20 bis 25 Frauen durch ihre (Ex-)Partner ermordet. Seit 2012 kamen insgesamt 122 Frauen und sieben Männer durch Gewalt in Beziehungen ums Leben. In den letzten Monaten kam es zu einer Häufung von Morden an Frauen. Erst vor zwei Wochen scheint in Bregenz eine Frau durch ihren Partner ermordet worden zu sein. In Wels liegt eine Frau im Koma, nachdem sie vom Ehemann an ihrer Arbeitsstelle zusammengeschlagen wurde.
„Die Anzahl an Hochrisikofällen wird jährlich höher“, beklagt Irma Lechner vom Zusammenschluss österreichischer Frauenhäuser. 2017 betreuten die vier Wiener Frauenhäuser 624 Frauen und 640 Kinder. Die Wiener Frauenhäuser dokumentierten dabei 107 Fälle von Misshandlungen mit Waffengebrauch – davon 84 mit Messer, 7 mit Schusswaffe und 16 mit anderen Waffen. Gerade wenn Waffen vorhanden sind, ist von äußerst gefährlichen Fällen auszugehen.
Auch auf Bundesebene stellen die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen einen gravierenden Anstieg an Hochrisikofällen und Tötungsdelikten fest, berichtet Eva Schuh vom Bundesverband der Gewaltschutzzentren und Interventionsstellen. Im Jahr 2017 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik 54 Tötungsdelikte, davon 36 im Familienkreis. In 24 Fällen waren die Opfer Frauen, in jeweils 6 Fällen handelte es sich um Kinder und Männer. Zum Vergleich: 2014 wurden 38 Personen getötet, davon wurden 17 Personen im Familienkreis umgebracht. In den letzten vier Jahren kam es also zu mehr als einer Verdopplung der Mordfälle im Familienkreis. Medienberichten zufolge gab es 2018 bereits 16 Morde, mehrere davon im Familienkreis.
„In einer hochmodernen Gesellschaft können wir das nicht einfach hinnehmen, sagt Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle. Die Allianz „Gewaltfrei leben“ fordert ein umfassendes Sicherheitsmanagement zur Prävention von Gewalt und zum Schutz gewaltbetroffener Frauen. Dazu gehört auch die multi-institutionelle Zusammenarbeit in Hochrisikofällen, die eine koordinierte Gefährlichkeitseinschätzung und Sicherheitsplanung ermöglicht. Die Regierung muss deshalb für ausreichende Ressourcen sorgen – ohne einer Ausweitung des Budgets für Gewaltschutz und Gleichstellungsmaßnahmen sind keine Verbesserung zu erwarten. „Die Sicherheit von Frauen muss unserer Gesellschaft etwas wert sein“, meint Logar.
„Die Forderungen von Frauenorganisationen, die sich seit Jahren für bessere Maßnahmen zur Prävention von Gewalt aussprechen, müssen ernst genommen werden“, sagt Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. Schließlich habe sich Österreich auch durch die Ratifizierung der Istanbul-Konvention zur Umsetzung verbesserter Gewaltschutzmaßnahmen verpflichtet, gibt die Gewaltschutzexpertin zu bedenken.
