Österreichische Gewaltschutzgesetze

Hier finden Sie relevante Gesetzestexte zum Schutz vor Gewalt in Österreich und deren wichtigste Elemente. Das aktualisierte dritte Gewaltschutzgesetz (2019) finden Sie hier.

Betretungs- und Annäherungsverbot
Sicherheitspolizeigesetz (SPG)

1997 wurde das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie geschaffen. Als Begleitmaßnahme zum Gesetz wurde in jedem Bundesland eine Interventionsstelle/ Gewaltschutzzentrum eingerichtet, die Opfer von Gewalt nach einer polizeilichen Wegweisung unterstützen.

Gibt es Faktoren, die darauf hinweisen, dass Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person in ihrem Wohnbereich gefährdet sind, muss die Polizei die gefährdeten Personen schützen und die Person, von der die Gefahr ausgeht, für vierzehn Tage aus dem Wohnraum verweisen und die Annäherung an das Opfer im Umkreis von 100 Metern in diesem Zeitraum verbieten.


Einstweilige Verfügung

Eine einstweilige Verfügung bietet längerfristigen Schutz vor Gewalt. Durch diese Maßnahme haben Opfer die Möglichkeit, den Schutz durch das Betretungsverbot zu verlängern, indem sie beim Bezirksgericht ihres Wohnortes eine einstweilige Verfügung beantragen.

Diese kann für einen Zeitraum von sechs Monaten oder auch bis zum Ende eines Scheidungs- und Aufteilungsverfahrens der Wohnung beantragt werden. Der Schutz mittels einstweiliger Verfügung kann auch für andere Orte wie z.B. die Arbeitsstelle oder die Schule der Kinder beantragt werden. Darüber hinaus kann das Gericht ein allgemeines Kontaktverbot für den Gefährder erlassen.

Es gibt drei unterschiedliche Arten von einstweiligen Verfügungen:

Schutz vor Gewalt in Wohnungen (§382b) Gesetzestext

Die einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen schützt jene von Gewalt betroffene Personen, die mit dem Gewalttäter in einer aufrechten Wohngemeinschaft leben. Die EV verbietet der gewaltausübenden Person bis zu sechs Monaten die Wohnung zu betreten.

Allgemeiner Schutz vor Gewalt (§ 382c) Gesetzestext

Die einstweilige Verfügung zum allgemeinen Schutz vor Gewalt gilt unabhängig davon, ob die betroffenen Personen zusammenleben oder nicht. Mit dieser EV kann der gewaltausübenden Person verboten werden, bestimmte Orte aufzusuchen (Aufenthaltsverbot) und es kann ihm die Kontaktaufnahme mit dem Opfer untersagt werden (Kontaktverbot). Diese Maßnahme kann auch in Kombination mit der oben genannten einstweiligen Verfügung zum Schutz vor Gewalt in Wohnungen eingesetzt werden. Die Gültigkeitsdauer des Aufenthalts- und Kontaktverbots kann sich auf bis zu einem Jahr belaufen.

Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre §382d („Stalking-EV“) Gesetzestext

Bei der EV zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre wird der stalkenden Person jegliche Kontaktaufnahme mit dem Opfer untersagt. Auch diese EV kann bis zu einem Jahr dauern.

Weiterführende Informationen zu polizeilichem Schutz vor Gewalt, dem längerfristigen Schutz durch einstweilige Verfügungen, Schutz gegen Stalking und Rechte der Opfer finden Sie in der Gewaltschutzbroschüre.


Die größten Änderungen des Zweiten Gewaltschutzgesetzes (2009) Gesetzestext

  • Die Dauer des Betretungsverbotes wurde verlängert. Die gewaltausübende Person darf die Wohnung 14 Tage lang nicht betreten (statt wie bisher zehn Tage). Wird eine einstweilige Verfügung (EV) beantragt, so verlängert sich das Betretungsverbot auf vier Wochen (statt wie bisher auf 20 Tage).

  • Ein neuer Straftatbestand wurde eingeführt: Der neue Paragraph §107b stellt die "fortgesetzte Gewaltausübung" unter Strafe. Wiederholte Gewaltausübung wird damit höher bestraft als einzelne Gewalttaten. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass gerade im Bereich Gewalt in der Familie, die Wiederholungsrate extrem hoch ist.

  • Opfer von Gewalt, die im Strafverfahren psychosoziale Prozessbegleitung erhalten, haben das Recht auf kostenlose psychosoziale Prozessbegleitung auch im Zivilverfahren.    


Die größten Änderungen des Dritten Gewaltschutzgesetzes (2019) Gesetzestext

Im Oktober 2019 wurde das 3. Gewaltschutzgesetz beschlossen, das in einigen wesentlichen Bereichen Änderungen mit sich bringt:

  • Mit dem Betretungsverbot ist ein Annäherungsverbot verbunden. Die weggewiesene Person darf sich dem Opfer im Umkreis von 100 Metern nicht annähern.

  • Ein Betretungsverbot kann nicht mehr für Kinderbetreuungseinrichtungen ausgesprochen werden. Die SPG-Novelle aus dem Jahr 2013, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes dazu ermächtigt hat, einem Gefährder den Zutritt zu institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen zu untersagen, wurde aufgehoben.

Beispiele strafbarer Gewalttaten nach dem Strafgesetzbuch (StGB)

In Österreich sind Gewalttaten strafbare Handlungen, die als so genannte Offizialdelikte vom Staat angeklagt und verfolgt werden. Das bedeutet, dass Gewalttaten keine "Privatsache" sind, auch nicht dann, wenn sie innerhalb der Familie und zu Hause verübt werden. In Fällen schwerer oder wiederholter Gewalt oder bei schwerer Bedrohung kann die Polizei den Gewalttäter sofort festnehmen.

Körperverletzung (§83 StGB) Gesetzestext
Körperverletzungen sind z.B. Platzwunden, äußerlich sichtbare Prellungen, Nasenbeinbruch, Verlust oder Lockerung eines Zahnes, Blutergüsse, Prellungen innerer Organe, Hautabschürfungen, Schnitte, Verstauchungen, Verrenkungen etc. Sie sind mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

Schwere Körperverletzung (§84 StGB) Gesetzestext
Ist eine Körperverletzung, die mehr als 24 Tage Berufsunfähigkeit zur Folge hat, oder die "an sich schwer" (laut Strafgesetzbuch) ist, sie kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft werden. Hat eine Körperverletzung schwere Dauerfolgen, erhöht sich die Strafe auf maximal fünf Jahre.

Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen (§92 StGB) Gesetzestext
Wer einem anderen, der seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und unter 18 Jahren alt oder wehrlos ist, körperliche oder seelische Qualen zufügt, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Bei Dauerfolgen erhöht sich die Strafe auf maximal fünf Jahre.

Freiheitsentziehung (§99 StGB) Gesetzestext
Das Gefangenhalten einer Person oder die Entziehung der persönlichen Freiheit auf andere Weise ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Dazu gehört z.B. jemanden einsperren oder am Verlassen des Raumes, Autos etc. zu hindern. Bei besonderen Qualen erhöht sich die Strafe auf bis zu zehn Jahre.

Nötigung (§105 StGB) Gesetzestext
Wer jemanden mit Gewalt oder durch eine gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingt, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Handelt es sich um schwere Nötigung, erhöht sich die Strafe auf maximal fünf Jahre.

Gefährliche Drohung (§107 StGB) Gesetzestext
Wer eine Person gefährlich bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Die Drohung braucht nicht ausdrücklich mit Worten, sie kann auch durch Handlungen erfolgen (z.B. Schreckschüsse). Bei einer schweren gefährlichen Drohung erhöht sich die Strafe auf maximal drei Jahre.

Beharrliche Verfolgung (§107a StGB) Gesetzestext
Wer eine Person beharrlich verfolgt (nachgehen, auflauern, ständig anrufen, sms oder E-Mail schicken, etc.), ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen.

Fortgesetze Gewaltausübung (§107b StGB) Gesetzestext
Wer gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Wenn die Gewalt gegen unmündige oder wehrlose Personen verübt wird und in anderen schweren Fällen beträgt die Freiheitsstrafe sechs Monate bis fünf Jahre; bei schweren Dauerfolgen ein bis zehn Jahre.

Vergewaltigung (§201 StGB) Gesetzestext
Wer eine Frau mit schwerer Gewalt oder durch eine Drohung zum Beischlaf oder einer gleichzusetzenden Handlung (Oral-, Analverkehr) zwingt, ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Als schwere Gewalt gilt auch Betäubung.

Istanbul-Konvention

Die Europarat-Konvention zur Bekämpfung und Verhinderung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt.

Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zählen zu den schwersten geschlechts- spezifischen Menschenrechtsverletzungen in Europa. Zahlreiche europaweite Studien, unter anderem von der europäischen Grundrechtsagentur zeigen das enorme Ausmaß an häuslicher und/oder familiärer Gewalt in Europa auf: Schätzungsweiße jede dritte Frau in Europa ist mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt. (1)

Vor diesem Hintergrund arbeitete der Europarat daran, einheitliche Standards und politische Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt zu setzen. Das Ergebnis dieses Verhandlungsprozesses wurde 2011 mit dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, kurz Istanbul-Konvention, präsentiert.

Die Istanbul-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag und seit 2014 in Österreich in Kraft. Als einer der ersten unterzeichnenden Mitgliedsstaaten dieser Konvention hat sich Österreich ausdrücklich und völkerrechtsverbindlich zu Maßnahmen im Bereich der Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt bekannt.

Diese umfassenden Mindeststandards im Bereich Gewaltschutz, die die Istanbul-Konvention setzt, sind in Österreich verbindlich umzusetzen.

Wie wird die Umsetzung überprüft?

Die Istanbul-Konvention sieht ein zweigeteiltes Monitoring-System vor:

1) Prüfung durch ein unabhängiges ExpertInnenkomitee (GREVIO): Dieses Komitee ist international besetzt und kommt unter dem Namen GREVIO (Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence) zusammen und überprüft die Einhaltung der Verpflichtungen durch die Vertragsstaaten und spricht Schlussfolgerungen aus.

2) Prüfung durch das Vertragsstaatenkomitee: Auf Basis jener Schlussfolgerungen von GREVIO kann das Vertragsstaatenkomitee Empfehlungen an den jeweils geprüften Staat aussprechen und für deren Umsetzung eine Frist festlegen. Das Vetragsstaatenkomitee setzt sich aus jenen Staaten zusammen, die die Istanbul-Konvention bereits ratifiziert haben.

Österreich war gemeinsam mit Monaco eines der beiden ersten Länder, die auf ihre Umsetzung der Istanbul-Konvention hin überprüft wurden. Diese erste Staatenprüfung erstreckte sich von März 2016 bis Jänner 2018 und endete mit Empfehlungen des Vertragsstaatenkomitees an Österreich.

Der Bericht zur Überprüfung betont, dass Österreich seit 20 Jahren eine Vorreiterrolle im Gewaltschutzbereich zukommt und anerkennt das österreichische Engagement zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Als besonders erfolgreiche Maßnahmen werden das Betretungsverbot (Wegweisung) für Täter häuslicher Gewalt und auch die juristische und psychosoziale Prozessbegleitung für Opfer von Gewalt erwähnt.

Österreich musste im Jänner 2021 einen Bericht über die Umsetzung der Empfehlungen des Vertragsstaatenkomitees legen.

Weitere Informationen:

Istanbul-Konvention (2011). Deutsch I English

Die Istanbul-Konvention. In Leichter Sprache. Deutsch

Bericht des GREVIO-Expertinnenkomitees des Europarates zur österreichischen Umsetzung der Istanbul-Konvention (2017). Deutsch I English

Österreichischer NGO-Schattenbericht für GREVIO. Zusammenfassung. Deutsch

Rosa Logar (2014): Die Istanbul-Konvention. Rechtsnormen zur Verhinderung von Gewalt gegen an Frauen und häuslicher Gewalt in Europa. In: juridikum, 3/2014, 349-359. Deutsch

Rosa Logar [et al.] (2018): 03. Empfehlungen des Europarates zur Umsetzung der Istanbul-Konvention. In: Tätigkeitsbericht (2018): 11-14. Deutsch

(1) Fundamental Rights Agency (2014): Violence against women: an EU-wide survey. Main results report. English

Vereinte Nationen

Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW)

  • Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (Bundesgesetzblatt 1982), Deutsch

  • Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW 1979), English

  • CEDAW Optional Protocol (1999), English

  • Was ist CEDAW? Broschüre der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst, Ausgabe 2009, Deutsch

  • What is CEDAW? Broschüre der Bundesminsterin für Frauen und öffentlichen Dienst, Ausgabe 2007, English

  • NGO-Schattenbericht Österreich (2006), English

  • Abschließende Bemerkungen (Concluding Comments) (2007), Deutsch | English


Deklaration zur Eliminierung von Gewalt an Frauen (1993), English

  • Beijing Declaration and Platform for Action (1995), Abschnitt "Gewalt gegen Frauen", English

Europäische Union

Empfehlungen der ExpertInnenkonferenz zu Gewalt an Frauen, Köln (1999), English

Empfehlungen der ExpertInnenkonferenz zu Gewalt an Frauen, Jyväskylä (1999), English

Empfehlungen der ExpertInnenkonferenz zu Gewalt an Frauen, Baden (1999), English

EU-Rahmenbeschluss über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001), English

DAPHNE-Programm zur Beseitigung von Gewalt an Frauen (2007), English

EU Richtlinien zu Gewalt gegen Frauen (2008), English