MARACs - Multi-Agency Risk Assessment Conference
Schutz von besonders gefährdeten Opfern von Gewalt in der Familie
MARAC steht für Multi-Agency Risk Assessment Conference und ist eine Methode, die 2003 von der Polizei und der Women’s Safety Unit in Cardiff/Wales in Großbritannien entwickelt wurde.
Entstehung von MARAC Wien
Die Idee multi-institutioneller Fallkonferenzen mit dem Namen MARAC wurde in England entwickelt. Das englische Modell wurde jedoch nicht eins zu eins auf Wien übertragen, es wurde vielmehr eine eigene Methode entwickelt, da die Rahmenbedingungen in Österreich andere sind. Der Name MARAC, der sich bereits etabliert hatte, wurde beibehalten.
Im Dezember 2010 begann die Wiener Interventionsstelle mit der Polizei und mit weiteren Einrichtungen Informationsgespräche zu führen, um sie für die Mitarbeit in einem multi-institutionellen Bündnis zur Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt zu gewinnen. Von Mai bis November 2011 lief das Modellprojekt in den Polizeibezirken 10 und 16/17. Nach der Modellphase wurde die Fortsetzung des Projektes beschlossen, und das MARAC-Bündnis wurde eine ständige Einrichtung zur Prävention von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt, Schwerpunkt: Verhinderung von schwerer Gewalt.
Das MARAC-Bündnis umfasste verschiedene strukturelle Elemente:
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Die MARAC-Steuerungsgruppe, die sich mit strukturellen Fragen der Verbesserung des Schutzes von Opfern von Gewalt beschäftigt und sich vierteljährlich zu einer Arbeitssitzung trifft.
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MARAC-Teams, die multi-institutionelle Fallkonferenzen veranstalten, bei denen Informationen über Risikofaktoren ausgetauscht und Sicherheitsmaßnahmen für Opfer in hochriskanten Situationen beschlossen werden.
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Die MARAC-Koordinierung (durchgeführt von der Wiener Interventionsstelle).
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Die MARAC-Moderation.
Zum Aufbau multi-institutioneller Bündnisse und Fallkonferenzen
Im Rahmen der Kampagne Gewalt FREI leben erstellte die Wiener Interventionsstelle einen Leitfaden mit dem Titel: „Partnerschaften gegen Gewalt. Leitfaden zum Aufbau multi-institutioneller Bündnisse und Fallkonferenzen zur Verhinderung von schwerer und wiederholter Gewalt, Morden und Mordversuchen im Bereich Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt“.
Der Leitfaden richtet sich an die Leitungsebene als auch an Mitarbeiter*innen von Einrichtungen, die mit Opfern in Hochrisikosituationen arbeiten. Der Leitfaden zeigt auf, wie Einrichtungen und Institutionen effektiv zusammenarbeiten können, um weibliche Opfer von Gewalt sowie Opfer häuslicher Gewalt besser zu schützen und weitere Gewalttaten zu verhindern.
Weitere Informationen zum MARAC-Bündnis Wien:
GewaltFREI leben
Kampagne zur Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern
GewaltFREI leben setzte an der Alltäglichkeit von Gewalt gegen Frauen und Kindern an, mit dem Ziel der Sensibilisierung für das Thema und dadurch präventiven Arbeit zu leisten. Zusätzlich dazu sollen Handlungsspielräume aufgezeigt und die Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555 - anonym, kostenlos, rund um die Uhr) noch bekannter gemacht werden.
Im Rahmen der Kampagne GewaltFREI leben werden, in Zusammenarbeit mit Partner*innen aus ganz Österreich, einige große Projekte zentral organisiert:
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Sensibilisierung des Gesundheitsbereiches und Erstellung eines Handbuchs zur konkreten Verankerung von Richtlinien in Krankenhäusern
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Zusammenarbeit mit Migrantinnen(selbst)organisationen
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Vernetzung von verschiedenen Institutionen zur Sicherheitsplanung für Betroffene in Hochrisikosituationen und Erstellung eines Handbuchs zum bestmöglichen Schutz von Frauen und Kindern
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Arbeit mit Medien für adäquate Berichterstattung zum Themenkomplex Gewalt gegen Frauen und Kinder und eine Publikation mit Tipps und Tricks für sensible Medienarbeit
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Workshops mit Kindern und Jugendlichen
Verhinderung von Femiziden und schwerer Gewalt
Gewalt an Frauen hat viele Facetten – Mord ist die Spitze des Eisbergs. Jedes Jahr werden zahlreiche Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern ermordet, manche vor den Augen ihrer Kinder. Oftmals ist jener Mord der schreckliche Höhepunkt einer langen Gewaltgeschichte und meistens kündigen Mörder ihre Tat vorher an.
Im Rahmen der Kampagne organisiert die Wiener Interventionsstelle Workshops und Veranstaltungen mit Einrichtungen, die mit Frauen in Hochrisikosituationen arbeiten (u.a. Opferschutzeinrichtungen, Frauenhäuser, Polizei, Justiz, Jugendwohlfahrt etc.). Im Zentrum steht die Entwicklung einer gemeinsamen professionellen Gefährdungseinschätzung und Sicherheitsplanung der involvierten Institutionen. Gleichzeitig wird ein Rahmen zur Vernetzung geboten. Der Schutz von Frauen und ihrer Kindern soll mit Hilfe der Einrichtung von multiinstitutionellen Teams verbessert und Mordversuche und Morde an Frauen und Kindern verhindert werden.
Aus der Kampagne GewaltFREI leben ist die Allianz GewaltFREI leben entstanden, in der sich bundesweit zahlreiche Organisationen aus dem Opfer- und Gewaltschutz zu einem regelmäßigen Austausch treffen und Aktionen durchführen, mit dem Ziel, die Umsetzung der Istanbul-Konvention und das Recht auf ein Leben frei von Gewalt voranzutreiben. Mehr Informationen finden Sie hier.
Opferschutzorientierte Täterarbeit
Neben dem von der Wiener Interventionsstelle und der Männerberatung Wien gegründeten Anti-Gewalt-Programm, das nach internationalen Standards der opferschutzorientierten Täterarbeit arbeitete, entstanden:
- die Arbeitsgruppe opferschutzorientierte Täterarbeit (AG Täterarbeit)
und
- die Bundesarbeitsgemeinschaft opferschutzorientierte Täterarbeit (BAG-OTA).
Die Wiener Interventionsstelle bringt sich mit ihrer Expertise auch auf europäischer und internationaler Ebene in unterschiedlichen Netzwerken und Projekten ein - seit 2014 ist sie offizielles Mitglied des Netzwerkes European Network for the Work with Perpetrators of Domestic Violence.
Anti-Gewalt-Training
Seit 1999 führte die Wiener Interventionsstelle gemeinsam mit der Männerberatung Wien das Anti-Gewalt-Training durch. Es handelte sich dabei um das einzige Täterprogramm in Österreich, das nach internationalen Standards konzipiert war.
Ziel dieses Trainings war, in meist offenen, aber strukturierten Gruppen eine Veränderung des Verhaltens gewalttätiger Männer herbeizuführen und partnerschaftliches Verhalten zu erlernen. Gleichzeitig wurden jene Familienmitglieder, die von Gewalt betroffen sind, unterstützt und gestärkt, was langfristig zu einer Verbesserung der Lebensqualität aller beteiligten Personen führt.
Weiter Informationen:
Rosa Logar und Nikola Furtenbach: "Partnerschaften gegen Gewalt. Bericht zum Stand opferschutzorientierter Täterarbeit bei Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt in Österreich", Jänner 2016. Download
Rosa Logar, Michaela Krenn und Nikola Furtenbach: "Partnerschaften gegen Gewalt. Bericht zum Stand opferschutzorientierter Täterarbeit bei Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt in Österreich", März 2014. Download
Rosa Logar und Heinrich Krauß: Opferschutzorientierte Interventionen für Täter als wichtige Maßnahmen der Gewaltprävention. In: juridikum, 3/2014, 391-397. Download
Rosa Logar und Michaela Krenn: "Partnerschaften gegen Gewalt - Täterarbeit in Österreich" BERICHT Projekt: Gründung und Etablierung einer Bundesarbeitsgemeinschaft von opferorientierten Anti-Gewalt-Programmen in Österreich. Wien, April 2013. Download
Rosa Logar: "Täterbezogene Interventionen zur Prävention von häuslicher Gewalt an Frauen und ihren Kindern"
Der Artikel erschien im Tätigkeitsbericht 2009 der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, Mai 2010. Download
Heinrich Kraus und Rosa Logar: "Das Wiener Anti- Gewalt- Programm. Ein opferorientiertes Täterprogramm." Wien, 2008. Download
Arbeitsgruppe Gender-Stat
Um die Datenlage in Österreich zu verbessern, hat die Wiener Interventionsstelle 2011 eine Expert*innen-Arbeitsgruppe zum Thema geschlechtsspezifische Daten zu Gewalt gegen Frauen initiiert.
Jede vierte bis fünfte Frau ist zumindest einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch einen Partner oder Ex-Partner Partner (Schröttle/ Müller 2004). Kinder sind von der Gewalt direkt und indirekt immer mitbetroffen. Jedes Jahr sterben in Österreich ca. 30 Frauen durch die Hand ihres (Ex-)Partners.
Diese Zahlen beruhen auf Schätzungen aufgrund von Medienberichten, Studien aus anderen Ländern und Erfahrungen von Opferschutzeinrichtungen. Gesicherte Daten zu Gewalt gegen Frauen und familiärer Gewalt fehlen nach wie vor. Derzeit ist es in Österreich zum Beispiel nicht möglich, aus der polizeilichen Kriminalstatistik abzuleiten, wie häufig Kinder von einem Elternteil misshandelt oder wie oft Frauen von ihren (Ehe)Partnern oder Ex-Partnern geschlagen oder ermordet werden.
Die Erhebung und Auswertung von Daten ist jedoch ein wesentlicher Bestandteil der Prävention und unentbehrlich für eine umfassende Gesamtstrategie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Dies wird auch in verschiedenen internationalen Empfehlungen und Konventionen betont und eingefordert (z.B. CEDAW 2007; Council of Europe 2002; 2011, Council of the EU 2008; 2010).
Gesicherte Daten und Zahlen zu Gewalt an Frauen und familiärer Gewalt sind notwendig, um:
• Interventions- und Präventionsmaßnahmen zu steuern und zu verbessern;
• die Wirkkraft von Maßnahmen zu gewährleisten;
• die Implementierung von Gesetzen und Strategien zu überwachen und zu evaluieren;
• Aufschluss über die Zu- bzw. Abnahme von Gewalt, Formen von Gewalt oder spezifische Zielgruppen zu erhalten und dadurch gezieltere Maßnahmen zu setzen;
• das öffentliche Bewusstsein zu stärken;
• internationale Anforderungen zu erfüllen.
Um die Datenlage in Österreich zu verbessern, hat die Wiener Interventionsstelle eine Expert_innen-Arbeitsgruppe zum Thema geschlechtsspezifische Daten zu Gewalt gegen Frauen initiiert („Arbeitsgruppe Gender-Stat“). Damit wird an das EU-Daphne-Projekt PROTECT angeschlossen und ein Beitrag zu internationalen Anforderungen zur Datenerfassung, die z.B. in der neuen Konvention des Europarates gegen Gewalt an Frauen und häusliche Gewalt formuliert wird geleistet. Die Einladung zur Arbeitsgruppe Gender-Stat stieß auf reges Interesse bei verschiedensten Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen sowie Forschungseinrichtungen.
Als Mindeststandards an die Datenerfassung zu Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt wurden, basierend auf der neuen Europaratskonvention, folgende Anforderungen identifiziert:
• Geschlecht des Opfers
• Geschlecht des Täters; zentral ist dabei auch, dass die Verknüpfung des Geschlechts von Opfer und Täter möglich ist
• Alter des Opfers; der Zusammenhang von Alter bzw. Altersunterschied ist zur Bewertung verschiedener Aspekte von familiärer Gewalt sehr wichtig
• Alter des Täters
• Beziehungsverhältnis zwischen Opfer und Täter: das Verhältnis zwischen Opfer und Täter muss möglichst präzise erfasst werden und die Kategorisierung von Beziehungsverhältnissen sollte möglichst klar sein
• Art/ Form der Gewalt: verschiedene Behörden verfolgen unterschiedliche Aufgaben und Ziele und müssen daher die Definitionen von Arten der Gewalt an ihren Bereich anpassen (z.B. Polizei und Staatsanwaltschaft Orientierung an rechtliche Definitionen, Gesundheitsbereich an internationale Klassifikation von Krankheiten usw.)
• Tatort (geographische Lage)
• Verknüpfbarkeit dieser Kategorien
Die Arbeitsgruppe erarbeitete daher Empfehlungen zur Erfassung von Administrativdaten zu Gewalt gegen Frauen.
PROTECT II
Die Wiener Interventionsstelle war am Projekt PROTECT II - Capacity Building in Risk Assessment and Safety Management to Protect High Risk Victims, das vom europäischen Netzwerk WAVE (Women Against Violence in Europe) koordiniert wurde, beteiligt.
Am 14. und 15. November 2012 fand in Wien die Abschlusskonferenz des EU- Daphne Projekts statt, wo die Themen Hochrisikosituationen, die Sicherheitsplanung sowie multiinstitutionelle Kooperation bei Gewalt in der Familie und Gewalt gegen Frauen behandelt wurden.
Im Rahmen von PROTECT II wurde auch Schulungsmaterial zur "Stärkung der Handlungskompetenz bei Gefährlichkeitseinschätzung und Sicherheitsmanagement zum Schutz hochgefährdeter Gewaltbetroffener" erstellt, das in 11 Sprachen vorliegt.
PROTECT I
Ziel dieses Projektes war der Schutz von Frauen und Kindern vor schwerer Gewalt. Das einjährige Projekt wurde vom europäischen Netzwerk WAVE (Women Against Violence in Europe) durchgeführt und ist ein Projekt im Rahmen des von der EU-Kommission finanzierten EU-DAPHNE III – Programms. Am Projekt waren zwölf Partnerorganisationen aus verschiedenen Ländern und ein Expert*innenbeirat aus Wissenschaft und Praxis beteiligt.
PROTECT hatte zum Ziel, Maßnahmen und Modelle zu identifizieren und zu verbreiten, die darauf ausgerichtet sind, schwere Gewalttaten an Frauen und ihren Kindern – wie Mord, Mordversuch, schwere Körperverletzung einschließlich Gewalttaten „im Namen der Ehre“ – zu verhindern bzw. zu reduzieren und die Betroffenen besser vor schwerer Gewalt zu schützen (Risikoeinschätzung, Risikomanagement, Sicherheitsplanung).
Weiters war es Ziel des Projektes, über verschiedene Modelle der Prävention von Gewalt in Europa zu informieren und einen Expert*innenaustausch zu ermöglichen.
Vom 22. bis 24. März 2010 fand in Wien das erste Partner*innen- und Expert*innenmeeting von PROTECT statt. Während das Partner*innenmeeting der konkreten Arbeit am Projekt und dem Austausch unter den Partner*innen gewidmet war, wurde das Expert*innenmeeting – das am 23. März in der Bundespolizeidirektion Wien abgehalten wurde – auch für Expert*innen aus Österreich geöffnet.
